Ein dicker werdender Bauch, Morgenübelkeit, Heißhungerattacken und Stimmungsschwanken – das sind Symptome, die normalerweise mit schwangeren Frauen in Verbindung gebracht werden. Weit gefehlt. Denn auch Männer können Symptome einer Schwangerschaft entwickeln. Das Phänomen der männlichen Ko-Schwangerschaft findet sich in vielen Kulturen. In der westlichen Welt scheint in etwa jeder dritte bis zehnte Mann betroffen zu schein.
In der Öffentlichkeit ist die männliche Parallelschwangerschaft noch weitestgehend unbekannt. Und diese allgemeine Unkenntnis führt dazu, dass ko-schwangere Männer von ihrem Umfeld oft belächelt werden und manch spöttische Bemerkung hören. Um herauszufinden, warum manche Männer eine Scheinschwangerschaft entwickeln, haben sich Forscher mit dem Phänomen beschäftigt – im wissenschaftlichen Fach-Jargon heißt die männliche Ko-Schwangerschaft übrigens „Couvade-Syndrom“.
Unter Hormoneinfluss
Hormone nehmen einen wichtigen Part ein, wenn Männer einen Babybauch entwickeln. Genau wie bei der schwangeren Ehefrau oder Lebensgefährtin kommt es auch bei ihnen zu hormonellen Veränderungen. In das Blickfeld der Wissenschaft rückten insbesondere das Milchhormon Prokaltin und das Sexualhormon Testosteron. Prokaltin regelt normalerweise den Zyklus der Frau. Im Falle einer Schwangerschaft ist das Hormon für Brustwachstum und Milchbildung zuständig. Im männlichen Körper sind ebenfalls kleine Prolaktinmengen nachweisbar. Forscher fanden heraus, dass bei Männern von schwangeren Frauen der Prolaktinspiegel im Verlauf der Schwangerschaft ansteigt – ähnlich wie bei der Partnerin, doch ist der Wert bei Männern deutlich niedriger. Die Forscher beobachteten dabei einen Zusammenhang zwischen Höhe des Prolaktinwertes und dem Couvade-Syndrom.
Auch das Sexualhormon Testosteron interessierte die Wissenschaftler. Es zeigte sich, dass werdende Väter in der Regel geringere Werte haben als kinderlose. Die Testosteronwerte bleiben insbesondere dann niedrig, wenn sich der Vater nach der Geburt intensiv um das Kind kümmert. Nicht nur bei werdenden Vätern ist der Testosteronwert niedrig, auch bei Männern in einer festen Partnerschaft hat das Hormon ein tieferes Niveau als bei Männern ohne Partnerschaft. Warum das so ist, konnte noch nicht geklärt werden. Wissenschaftler nehmen an, dass ein niedriger Testosteronspiegel Männer beispielsweise vor zu riskantem Verhalten schützt.
Nicht nur beim Menschen sind Hormone bei beiden Geschlechtern im Spiel, wenn es zu einer Schwangerschaft kommt. Forscher fanden das Phänomen auch bei Säugetieren, die gemeinsam ihre Jungen aufzogen. Das ist bei ungefähr jeder zehnten Art der Fall. Beispielsweise bei Primaten oder Wölfen. Die niedrigeren Testosteronwerte schützen den Nachwuchs vor Aggressionen des Vatertiers und verhindern, dass sie gefressen werden.
Die Sprache der Psyche
Dennoch ist noch nicht klar, wie konkret der Einfluss der Hormone auf die männliche Ko-Schwangerschaft wirklich ist. Deshalb nehmen Forscher an, dass neben Hormonen weitere Faktoren mit im Spiel sind. Naheliegend wären beispielsweise psychische Faktoren. Gerade bei zusammenlebenden Paaren, die eine intensive, von Vertrauen geprägte Beziehung führen, kann es sein, dass ein Partner die Empfindungen und Symptome des anderen spiegelt. Zudem ist die Geburt vor allem des ersten Kindes ein Paradigmenwechsel in der Lebensgestaltung. So sind Mütter wie Väter gefordert, eine weitere Rolle in ihr Leben zu integrieren und mit den anderen Rollen abzustimmen.