Rund ein Drittel aller Männer leidet unter vorzeitiger Ejakulation (medizinisch: Ejaculatio praecox). Was das für die Partnerin bedeutet, untersuchte die klinische Psychologin Andrea Burri mit ihrem Team an der Universität Zürich. Die Wissenschaftler fanden heraus, dass Männer, die sich zu stark auf die Kontrolle ihrer Ejakulation konzentrieren und dabei die sexuellen Bedürfnisse der Partnerin ignorieren, die Beziehung ernsthaft gefährden.

Vorzeitige Ejakulation ist eine der häufigsten Sexualstörungen bei Männern. Aber es sind nicht nur die Männer, die leiden. Kommt der Mann zu früh, belastet das auch die Partnerin sehr. Das Team befragte mehr als 1.500 Frauen aus Mexiko, Italien und Südkorea. Rund 40 Prozent gaben an, dass die Kontrolle über die Ejakulation für einen befriedigenden Geschlechtsverkehr sehr wichtig sei. Doch war es nicht die kurze Dauer des Geschlechtsverkehrs, die von den Frauen als Problem angesehen wurde. Vielmehr war die Hauptursache für die sexuelle Frustation der Frauen die zu starke Konzentration des Mannes auf seinen richtigen Ejakulationszeitpunkt. Dadurch sei er nicht mehr in der Lage, ihre individuellen Wünsche zu erfüllen.

Kreativität schlägt Koitusdauer

Für die Mehrheit der befragten Frauen besteht befriedigende Sexualität nicht nur aus Geschlechtsverkehr, sondern beinhaltet auch Küssen, Streicheln und andere Formen der sexuellen Stimulation. Und gerade diese anderen Formen der sexuellen Stimulation sind Frauen sehr wichtig. Wird der Mann nun in erster Linie von seinen Problemen, also der vorzeitigen Ejakulation und somit seiner Leistung in Anspruch genommen, werden die Bedürfnisse der Partnerin ignoriert. Geschlechtsverkehr würde dadurch zunehmend vom Faktor ‚Zeit‘ und nicht vom Gedanken „wie es uns gefällt und was gut für uns ist“, bestimmt.

Das hat negative Folgen für die Beziehung: Auf lange Sicht reagiere die Frau verzweifelt und frustriert. Ähnlich wie der Mann, fängt sie an, sexuellen Kontakt aus Angst vor Ablehnung und den daraus resultierenden negativen Gefühlen zu vermeiden, erklärte Burri. Die Frau verliere einen wichtigen Teil an Lebensqualität und stelle letztendlich die Beziehung in Frage.

Unter der einseitig ausgerichteten Aufmerksamkeit des Mannes leiden vor allem die Frauen, die nicht den Geschlechtsverkehr an sich als zentralen Aspekt der Sexualität wahrnehmen, sondern denen es hierbei in erster Linie um sexuelle Kreativität geht.

Interessanterweise ist eine lange Koitusdauer dagegen insbesondere für Frauen wichtig, die keine Probleme haben, zum Höhepunkt zu kommen. Für Frauen, die nur selten einen Orgasmus erreichen – wenn überhaupt – hat die Dauer des Geschlechtsverkehrs dagegen keinen zentralen Stellenwert. Für sie drückt Sexualität in erster Linie Intimität und Verbundenheit aus.

Männer – nehmt die Bedürfnisse eurer Partnerin ernst!

Obwohl auch Frauen eine vorzeitige Ejakulation als kritischen Aspekt wahrnehmen, leiden sie mehr unter der Unaufmerksamkeit des Partners gegenüber ihren eigenen sexuellen Bedürfnissen als unter der zu kurzen Dauer des Geschlechtsverkehrs. Der Studie zufolge geht eine an sich harmonische Beziehung oft durch die starken psychischen Belastungen und den aufgestauten Frust der Frauen in die Brüche.

Die Mehrheit der Frauen war in früheren Beziehungen mit Partnern ohne sexuelles Problem deutlich zufriedener. Dies hing laut Burri vor allem damit zusammen, dass in der aktuellen Beziehung die vorzeitige Ejakulation zu viel Raum einnahm. Außerdem hatte ein Viertel der Befragten in der Vergangenheit deswegen schon einmal eine Trennung erlebt. Alles in allem sind die Folgen oft weitreichender als einfache sexuelle Unzufriedenheit. Im Extremfall stellt es auch eine Gefahr für den Kinderwunsch dar, wenn der Mann bereits vor dem eigentlichen Geschlechtsverkehr ejakuliert, erklärte Burri abschließend.

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