Frauen reden – Männer schweigen, so das gängige Vorurteil. Forscher wollten wissen, ob das wirklich stimmt und rückten dieser weitverbreiteten Annahme mit einem cleveren Experiment zu Leibe.
Ein Blick auf bisherige Forschungsergebnisse zeigt Widersprüchliches: Einige Studien bestätigen das Vorurteil, dass Frauen mehr reden als Männer, andere fanden keine Unterschiede.
Ein möglicher Grund für die unterschiedlichen Ergebnisse könnte die in vielen Studien vorherrschende Laborsituation sein. Im Labor verhalten sich Menschen normalerweise anders als in realen Situationen. Außerdem kann eine Laborstudie nur mit einer kleinen Anzahl an Versuchspersonen durchgeführt werden. Und das wiederum hat Auswirkungen auf die statistische Aussagekraft. In anderen Studien arbeiteten Wissenschaftler mit Fragebögen. Der Nachteil hierbei ist, dass sich Probanden oft falsch erinnern.
Feldforschung mit dem Soziometer
Jukka-Pekka Omnela von der Harvard School of Public Health in Boston und seine Kollegen setzen in ihrer Studie ein sogenanntes „Soziometer“ ein, um das Gesprächsverhalten von Frauen und Männern aufzuzeichnen. Der Vorteil: Sie konnten die Versuchsteilnehmer in ihrer natürlichen Umgebung beobachten.
Die Forscher statteten 42 Studenten und 37 Studentinnen der Universität sowie 54 Mitarbeiter und Mitarbeiter eines Callcenters mit Soziometern aus. Die Soziometer erkennen, wenn andere Menschen in der Nähe sind und zeichnen via Mikrofon auf, was der Träger spricht.
Die Forscher hatten die Studenten gebeten, ein eigenständiges Projekt ihres Faches in einem bestimmten Zeitrahmen durchzuführen. 12 Stunden am Tag zeichneten die Soziometer auf, wie oft und wie viel die weiblichen und die männlichen Studierenden mit ihren Kommilitonen sprachen. Bei den Mitarbeitern des Callcenters zeichneten die Wissenschaftler während der Mittagspause auf, wer sich wie viel mit seinen Kollegen austauschte.
Bei fachlicher Kommunikation bevorzugen Frauen das eigene Geschlecht
Die Ergebnisse offenbarten einen Geschlechtereffekt: In der Callcentergruppe fanden die Forscher kaum Unterschiede. In dieser Gruppe waren die Frauen nur etwas gesprächiger als die Männer. Anders sah die Situation an der Uni aus. Ging es um den Austausch fachlicher projektbezogener Inhalte, redeten die Frauen deutlich länger als die Männer. Dass Frauen weibliche Gesprächspartner bevorzugen, zeigte sich daran, dass sie sich öfter in reinen Frauengruppen als in gemischten Gruppen unterhielten.
Diese Beobachtung stimmt mit den Forschungsergebnissen überein, die aussagen, dass Frauen besser lernen, wenn sie sich über die Lerninhalte mit anderen austauschen. Sie sind also in Situationen kooperativer, in denen es um die Lösung von Aufgaben geht. Steht dagegen eine zufällige Gesprächssituation im Vordergrund, gibt es kaum Unterschiede zwischen den Geschlechtern.
In größeren Gruppen reden Männer mehr
Den Wissenschaftlern fiel noch ein weiterer Punkt auf. Welchen Gesprächsanteil Frauen und Männer in einer Gruppe hatten, wurde wesentlich von der Gruppengröße bestimmt. Die Studentinnen sprachen nur dann mehr, wenn sie sich zu zweit unterhielten oder in einer kleineren Gruppe zusammenkamen. Sechs Personen stellten die magische Grenze dar, an der sich die Rede-Situation veränderte: Ab dieser Gruppengröße waren es die Männer, die die meiste Redezeit innehatten. Die Wissenschaftler leiteten aus diesen Beobachtungen ab, dass die Redezeit sowohl vom Kontext als auch von der Gruppengröße beeinflusst wird.
In der vorliegenden Studie waren es die Frauen, die mehr redeten. Aber nur dann, wenn es um das Lösen einer Aufgabe ging und wenn in der Gesprächsrunde wenige Personen beteiligt waren. In großen Gruppen waren es die Männer, die den Ton angaben.