Dass aus Einzelkindern Egoisten werden, wurde inzwischen widerlegt. Doch nicht nur Einzel- sondern auch Geschwisterkinder sind eine aufschlussreiche Fundgrube für Wissenschaftler. Amerikanische Forscher fanden laut einer aktuellen Studie heraus, dass Geschwister für die soziale Entwicklung sogar wichtiger sind als Eltern oder Freunde. Eine harmonische Geschwisterbeziehung erhöht neben der Sozialkompetenz auch die Zufriedenheit und Hilfsbereitschaft. So lautete die wichtigste Erkenntnis der Forscher. Dass das Ergebnis für Jungen und Mädchen gleichermaßen gilt, überraschte allerdings. Denn normalerweise sind es die Mädchen, die von sozialen Beziehungen stärker profitieren als Jungen. Die Forscher zeigten außerdem, dass sich nur eine harmonische Beziehung unter Geschwistern positiv auf die Sozialkompetenz auswirkt. Ein von Streit und Feindseligkeiten geprägtes Verhältnis hat oft negative Folgen.
Stress mit Geschwistern macht Jungen depressiv
Die Entwicklungspsychologin Laura Padilla Walker hatte gemeinsam mit dem Sozialpsychologen James Harper Langzeitdaten von Geschwisterpaaren ausgewertet. Alle 308 Geschwisterpaare, deren Daten in die Studie einflossen, waren im Teenageralter. Datenbasis für das Projekt bildete die 2007 gestartete Langzeitstudie „Flourishing Families Project“, die in acht Teilabschnitten Fragebögen, Videomaterial und weitere Daten von ungefähr 700 zufällig ausgesuchten Familien erfasste.
Die Forscher berichteten, dass sie mit ihrer Studie zeigen konnten wie wichtig Geschwister füreinander sind. Zum ersten Mal wurde die Bedeutung, die Geschwister füreinander haben, mit anderen Bezugspersonen – wie Freunden, Klassenkameraden und weiteren Familienmitgliedern – verglichen. Gerade Geschwister, auf die man sich verlassen kann, fördern das Sozialverhalten: Kinder mit einem guten Verhältnis zu ihren Geschwistern waren besonders einfühlsam und hilfsbereit. Neben Geschwistern hatten auch beste Freunde Einfluss auf die soziale Kompetenz. Doch der Einfluss der Geschwister erwies sich als wesentlich höher als der anderer Bezugspersonen.
Wie Walker erklärte, waren für die meisten Jungen in der Studie im Vergleich zu den Mädchen Beziehungen generell nicht so wichtig. Die einzige Ausnahme bildeten die Beziehungen zu Geschwistern. Hier war es für Jungen genauso bedeutsam wie für Mädchen, gemocht zu werden und Rückhalt zu bekommen.
Umgekehrt wirkte sich eine schlechte Geschwisterbeziehung negativ aus. War die Beziehung von einem Klima geprägt, in dem Feinschaft und Missgunst vorherrschten, entwickelte sich im Jugendalter oft eine Depression – insbesondere Jungen werden verhaltensauffällig. Die Botschaft der Wissenschaftler an Eltern, Lehrer und Erzieher: Kein Streit bedeutet nicht, dass es keine Konflikte gäbe. Es sei durchaus in Ordnung, wenn Geschwister streiten. Wichtig sei allerdings, ihnen Wege eines konstruktiven Umgangs miteinander aufzuzeigen.